Schulgeschichte
Die Geschichte der kaufmännischen Bildung in Northeim
In alten Dokumenten wird als Geburtsdatum unserer Schule der 08. April 1845 genannt. Die BBS1 entstanden vor 150 Jahren in einem ehemaligen Friseurgeschäft. Kaufmännisches Rechnen, Mathematik, Geographie, deutsche Sprache und Stilübungen standen auf dem Lehrplan dieser Urform der modernen BBS. Schließlich war es ja nicht nur wichtig, die Einnahmen und Ausgaben korrekt zu buchen und die Maße zu beherrschen. Die ersten Lehrer waren damals die Northeimer Doktoren Brauhardt und Kellner. Das Klassenzimmer bestand damals aus:
- drei Bänken und Tischen
- einer Tafel
- einem Globus
- einem “Joseph”-Rechenbuch
- einer “Schacht”-Geographie
- und natürlich einem qualifizierten Unterricht der Herren Doktoren. Und die bekamen jeder 80 Reichsthaler im Jahr für ihr pädagogisches Wirken.
Zunächst war die Teilnahme am Unterricht noch freiwillig. Doch schon bald erreichte auch Northeim die Kunde aus anderen Städten, wo man die kaufmännische Schulausbildung zur Pflicht erhoben hatte. Dem konnte sich auch die Northeimer Kaufmannsgilde nicht verschließen, und am 3. Januar 1846 fassten die Herren Kaufleute den Entschluss, die abgeschlossene Berufsausbildung nur dann anzuerkennen, wenn “der Lehrling diese Privatanstalt mindestens zwei Jahre besucht und sich als fleißig gezeigt habe.”
Stöhnen unsere Schüler heute unter Fächern wie BVWL und Rechnungswesen, so machte man es ihren Vorgängern im letzten Jahrhundert nicht einfacher: Schon 1858 machte das Northeimer Wochenblatt auf zusätzliche Kurse aufmerksam, die für “Realien, Buchhaltung, Geschäftsbriefwechsel und Wechselkunde” gehalten wurden. Vergleicht man heutige Lehrpläne hiermit, so wurde rund eineinhalb Jahrhunderte vor unserer Zeit schon der Grundstein dazu gelegt.
Und auch die Abschlussprüfung mit 40 Fragen war nicht ohne Tücken, wie der Auszug aus einem Prüfungsprotokoll aus dem Jahre 1862 zeigt:
- “Wie ist das Verhältnis eines englischen Centners zum Zollgewicht?”
- “Was ist ein Schiffspfund?”
- “Wie viel Ries hat ein Ballen Papier?”
- “Wie hoch ist der Wert eines preussischen Friedrichsdor?”
- “Wie viel ist ein 20 Frankstück wert?” usw.
Wer hätte diese Prüfung heute bestanden?
Ende des letzten Jahrhunderts wurde viel darüber debattiert, ob die BBS1 staatlich anerkannt werden soll. Am 31. Oktober 1908 wurde dann verkündet, dass der Minister für Handel und Gewerbe die kaufmännische Fortbildungsschule als ausreichenden Ersatz für den Besuch der allgemeinen Fortbildungsschule anerkannt hat.
Der entscheidende Schritt zur staatlich anerkannten Lehranstalt war geschafft!!!
Nach der Jahrhundertwende war dann die Zahl der Schüler in den rund 50 Jahren des Bestehens um fast 100% angestiegen. Am Anfang der Handelsschule waren ca. 10 Auszubildende in einer Klasse. Nun waren es aber schon 18. Klar, dass man nun von Seiten der Northeimer Kaufmannschaft eine “Schulreform” durchführen musste, die den neuen Gegebenheiten Rechnung trug.
Da der Staat aber zu dieser Zeit noch nicht die Schule unterstützte, mussten andere Wege gefunden werden, um die Lehrer und die Räumlichkeiten zu finanzieren. Also gründete die Kaufgilde einen Verein mit Fonds, den man gut verzinste. Diese Zinsen flossen dann der Handelsschule zu. Natürlich wollte man auch sichergehen, dass für das Geld anständige Arbeit geleistet wurde. Also wählten die Kaufleute einen Vorstand, der seinerseits die Lehrer berief und einen “Dirigenten” für die 18 Schüler benannte. Der neue Lehrplan: Schönschreiben, Deutsche Sprache, Korrespondenz, Kaufmännisches Rechnen, einfache und doppelte Buchführung, Geographie, Handels- und Wirtschaftsrecht.
Und das alles in zweieinhalb Jahren – für 9 Mark pro Quartal Schulgeld – und außerhalb der regulären Arbeitszeit!
In den Folgejahren wurden stetig höhere Schülerzahlen registriert, und 1933 wurde die “Northeimer Kaufmannschaft” – bislang Träger dieser Lehranstalt – aufgelöst. Ab sofort übernahm die IHK Hildesheim, mit Sitz in Göttingen, die Funktion als Geldgeber. Während des Krieges sollten 34 Schüler auf die Kriegswirtschaft vorbereitet werden. Doch dazu kam es nicht. 1944 wurde die Klasse aufgelöst und an die Front geschickt.
Nach dem 2. Weltkrieg brauchte die Wirtschaft qualifizierten Nachwuchs, den sie in den um ihre Kindheit betrogenen Jugendlichen, reichlich fand.
Am 1. April wurde nun endgültig eine Handelsschule eingerichtet, die sehr großes Interesse auf sich zog. Noch war sie zweijährig, doch viele Schüler hatten bereits das Abitur, sollten eigentlich Offiziere werden. Sie wurden sozusagen im Schnellverfahren auf ihre künftigen Aufgaben in der Wirtschaft und Industrie vorbereitet.
Ostern 1947 bestanden bereits sieben Klassen der Handelsschule. Deshalb wurde fieberhaft nach neuen Unterrichtsräumen gesucht. In den folgenden Jahren musste die Handelsschule, die jetzt 14 hauptamtliche, 5 nebenamtliche Lehrkräfte, rund 290 SchülerInnen der Handelsschule und 200 SchülerInnen der kaufmännischen Berufsschule hatte, öfter umziehen.
1969 beschloss der Northeimer Kreistag den Bau eines Wirtschaftsgymnasiums. Am 10. Dezember 1971 hatte der 8 Millionenbau Richtfest. Im Jahre 1983 kamen die Zweijährige Berufsfachschule Wirtschaftsassistenten und die Fachoberschule – Wirtschaft hinzu.
Die Northeimer Berufsbildenden Schulen I bereiten auch heute den Nachwuchs auf die Erfordernisse von Handel und Wirtschaft vor.
– Das ist ihre Aufgabe – Doch inzwischen vermitteln sie weitaus mehr: Menschlichkeit, Kritikfähigkeit, Kreativität und Demokratie.
Quelle: | 1845- 1995 – 150 Jahre kaufmännische Bildung in Northeim. Michael Aue: Die Berufsbildenden Schulen I gestern, heute und morgen. Northeim 1995. |